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Thursday 3 March 2022

Der Parkbank Pinkler Kapitel XXXI:
das Rauschen von ständigem Umschalten

Denn dieses ist immer da...
...und allem Anschein nach läuft die 
Ermittlung nicht gerade auf Hochtouren.
 
XXXI.
 
Mit zunehmendem Alter wiederhole ich mich und unterbreche mein Selbstgerede, indem ich öfter auch mal nicht imaginäre Menschen voll quatsche. Kürzlich an der Kasse so,  ...bitte, ja. Nicht als würde ich Ihnen nicht vertrauen, aber mit der Rechnung übe ich Rechnen so...  Ähm, was machst du? ...es geht also ums Rechnen in einer Fremdsprache, verstehen Sie...  Das is' ihr scheißegal, du Vollidiot!
 
Aber es ist wahr! Und ich will wirklich nicht, dass sie glaubt, dass ich glaube, sie berechnet mir zu viel.  Ääähmntschuldigung, wenn das stimmt, dann warum prüfst du, gleich vor deiner Rechenübung, ob die Preise stimmen?
 
Computer können auch Fehler machen.  Wie bitte? Rechner machen Rechenfehler?  Okay, das nicht. Aber es könnte so passieren, dass der aktuellste Preis nicht im Computer steht.

Das wird aber heißen, dass man den Job nicht gemacht hat. Und wenn das so ist, heißt es weiter, dass diese Dame, also die Dame, die du gerade so belästigst, die arme Dame, die sich praktisch allein im Laden laufend hin und her zwischen Kasse und Regalen eilt, die aktuellste Preis nicht etikettiert hat. Und das heißt, du implizierst mit deinem fiesen Vorspiel zu deiner ach so gesund Kopfarbeit, und zwar hinter dem Rücken von dieser überarbeiteten und unterbezahlte arme Dame, dass du ihr nicht vertraust, dass sie ihre Arbeit richtig macht. Also nun, nimm den Bon und geh weiter!  ...und indem ich das beim Nachhausegehen mache, bleibt die Zusammenarbeit von Geistig- und Visiomotorik fit... Ach, du scheiße! Wie peinlich ist das denn?!
 
Aber ich will sie wissen lassen, dass ich ein Zuhause hab. Schlau, oder?  Schlau? Kuck dich doch an, Mensch! 
 
Genau, das meine ich. Wie ich so aussehe, würde sie mich sonst für obdachlos halten. Und was schert sie das? Du bist doch obdachlos!  Nein, bin ich nicht. Ich geh sogleich nach Hause.  Dann geh mal!  ...einen schönen Tag noch.
 
Endlich! Mann, du bist mir peinlich.  Aber sie ist so schön. Mie iss mo möööön! Na und? Geh mal wichsen! Kacken und Essen sind deine Bedürfnisse! Und, weißt du, nach Hause gehen ist nicht gleich mit ein Zuhause haben. Heute ist da, und was ist mit morgen?  Morgen ist dasselbe.  Mann! Morgen wie in den kommenden Monaten!  Verwende keine Metaphern mit mir. Du machst mich furchtbar depressiv.
 
Nein. Deine Lage macht dich depressiv. Ich mahne dich nur daran. Und was Metaphern angeht, sollst du sowieso übernächsten Monat für morgen halten. Du weißt schon, dass je tausend Obdachlosen in der Statistik in der Wirklichkeit doppelt soviel sind, wenn man Deppen wie dich mitrechnet.
 
Ach! Danke. Du hast mich doch daran erinnert. Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben mal neun ist dreiundsechzig plus acht ist einundsiebzig und vier macht das fünfundsiebzig. Fünf stimmt, sieben übertragen plus vier macht elf—  Warum kaufst du so viel?! Du kennst schon wie es ist wenn du morgen wieder—  HÖR AUF! LASS MICH IN RUHE! ICH WEIß! ICH glaube wir werden angestarrt.
 
Nun bist du ein wir? Du wirst angestarrt. Weil du über mich aufregst, weil ich die Wahrheit sage. Und gleich danach willst du mir deine Scham in die Schuhe schieben. 
 
Dann sag die Wahrheit nicht! Ich habe den Sinn deiner Geschichte verstanden.  Bitte kein Vers.
 
Ich weeeiß, meine Lebensbedingungen sind prekär! Ich weiß wie es ist, das wenige Geld zum Fenster hinauszuschmeißen, weil ich urplötzlich keinen Platz mehr habe, so viele Scheiße unterzubringen! Aber ich will auch nicht, tagtäglich diese Dame sehen und sehen lassen müssen. Willst du das? Willst du, dass ich das nächste mal, ihr ein Liebesgedicht vortrage? Scheiße. Ich hab die Stelle verloren. Eins, zwei, drei, vier...
 
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