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Friday, 11 February 2022

Der Parkbank Pinkler Kapitel XXX: Genusgenuß: mir schmeckts essen

„Hams jesagt“.
                    —D. Yeahnigen
 
XXX.
 
Weitere Untersuchungen der in der vergangenen Woche von den Behörden beschlagnahmten Gegenstände haben Indizien für eine geheime wissenschaftliche Entdeckung zutage gebracht. Eine in einem kriminaltechnischen Labor durchgeführte Untersuchung eines Druckers und dazugehörigen Verbundmaterialien weisen auf eine bisher nicht nachgewiesene Fähigkeit zum Druck von Sauerstoff hin. Die Berliner Polizei hatte in den frühen Morgenstunden vom Donnerstag eine Razzia durchgeführt, bei der sie einen 4D-Drucker samt Zubehör sichergestellt hatte. Entdeckt wurde auch dabei eine Badewanne voller Marihuana.
 
Apropos eingebildete Gespräche: Platon hat ein Gespräch zwischen realen und imaginären Figuren geschaffen, das zur Erzählung der Reise einer anderen Figur nach Ägypten führt. Da wird eine weitere Geschichte erzählt, von einer Insel in einem da rundumlaufenden Kanal, umschlossen von einem kreisförmigen Landstreifen, um den herum ein weiterer Kanal, und dann ein weiterer Landstreifen und noch ein Kanal. 
 
Es soll eine Allegorie sein. Wie die des Höhlengleichnisses. Aber beim Zählen komme ich nicht umhin, einen weiteren eingebauten Geschichtenerzähler zu vermissen. Nach dem Motto, herum sitzen, furzen und selbstbezügliche Meta- Wortwitze machen, die alten Griechen.

Oder nein. Es passt. Platon ist die innere atlantischen Insel selbst, wessen Werk Timaios vom inneren Kanal repräsentiert wird. Das innere Landring steht für die Einleitungsdialog zwischen Sokrates und Hermokrates, wobei das Letztere über den mittleren Kanal den Weg nach den äußeren Landstreifen führt, hier verkörpert von Kritias. Im äußeren Kanal fließt die Geschichte von Solons Reise nach Ägypten, wo er die Geschichte von Atlantis erfährt und wie Athen, dass Land da draußen, einst ein idealer Staat war, der später Krieg gegen Atlantis führte.
 
Aber genug mit analogen Geschichten, die nur über ihre Geschichtenerzähler entstehen. Es gibt ein vorhandenes Rohmaterial für die Erzählung. Platon selbst ist Sonne, der Stoff des merkurialen Dialogs seines Werkes erreicht den ersten Planeten, dann gibt es einen Zwischenstopp auf der Erde, auf dem Weg zum Mars, so dargestellt, da die Quelle des Narratives dasteht.
 
Na ja. Was tatsächlich da steht, ist nur soweit identisch mit seinem narrativen Gegenstück, wie die repräsentative Beobachtung ein akkurates Abbild der Realität ist. Was immer diese auch sein mag. Denn die gegenwärtige Realität entsteht aus Beobachtungen. Im wesentlichen nehmen wir diese als wahr, daher das gleichbedeutende Wahrnehmen.
 
So sind die Wörter. Es lässt sich nicht vermeiden, dass diese letztlich das kollektive Verständnis einer Gesellschaft bestimmen. Das kollektive Verständnis wird daher durch den Gebrauch von Wörtern eingeschränkt. Das ist relativ klar zu sehen durch einen Vergleich. Jedes neue technologische Wunderwerk ist mit einer Bedienungsanleitung geliefert, voller Wörter so ausgewählt, dass sie von der allgemeinen Bevölkerung leicht verstanden werden können. Eine weitere Reihe von Wartungs- und Reparaturhandbüchern sind gefüllt mit Wörtern und Formulierungen für den Techniker, der in die entsprechende Disziplin eingeweiht ist. Es gibt keine moderne Welt, in der ein universelles praktisches Verständnis von Disziplinen praktisch ist.
 
Wir sind aus eigener Initiative ein abgeschottetes Volk, das Wörter braucht, ob sie nun gleich gebraucht werden oder nicht. Zwar haben wir unsre Sprachbibel, übermittelt von dem wichtigsten dudischen Wahrsager unseres Brauchtums, aber das Buch der Ausnahmen, von Duden als Verbote verstanden, wird doch verstanden.

Wenn wir davon reden, dass wir die gleiche Sprache sprechen, beziehen wir uns trotzdem auf kontextbezogene Redewendungen. Verstehen wir uns? Hat es eher mit einem Positivsummenspiel zu tun? Brechen unsre angeblich gleich bezweckte Verständnisse aus einander, sobald einer denkt, das Spiel ist aus?
 
Klar stimmen unsre Verständnisse nicht überein. So dürftig sind diese, dass wir (also das Wir in dem verschiedenfarbigen Wir sind das Volk) ein Recht auf freie Rede gewährleistet haben, natürlich mit Worten zusammengefasst, und eingeschränkt durch Begriffe wie objektives und subjektives Recht, weiter unterteilt in Herrschaftsrechte und Gestaltungsrechte, wovon sich nur wenige mit den Unterschieden befassen. Rein theoretisch dürfen wir alle aber von dem Oberbegriff brüllen, „Freie Rede!“

Gewährleistet wird dieses Recht, weil sonst keine funktionsfähige Gesellschaft denkbar wäre. So kann der Einklang von Zusammen- und Getrenntsein entstehen. Und auch hier in unsren einzelnen gleichgesinnten Gefängnissen gibt es Missverständnisse.
 
Wollen wir wirklich die selbe Sprache sprechen, braucht jedes Wort ein Buch, jedes Buch einen Band voller Zusammenhänge und Abweichungen, jeder Band einen Band von Bilderbücher, jedes Bild eine Bildung, jede Bildung ein Praktikum. Unpraktisch also. Es fehlt Zeit für. Nicht zuletzt die Zeit.

Was versteht ihr von „die Zeit“? Von der Zeit könnt ihr einiges verstehen. Einer hat nur soviel Zeit bis zum Tod, zum Beispiel, obwohl man nie weißt, wie viele. Aber die Zeit ist was anderes. Aus menschlicher Beobachtung ist diese Dimension entstanden, da man keinen anderen Weg hatte, sonst das Hin und Her unserer Existenz zu messen. Präziser gesagt, ist die Zeit weder vorhanden noch entstanden, sondern konzipiert von Menschen, als Messwerkzeug.

Ebbe, die dunkle Nacht. Flut, das Tageslicht. Die. Das. Die Bemerkung der Schattenlänge. Das Ausdenken der Sonnenuhr. Ebbe, die Winterruhe. Flut, das Frühlingserwachen. Die. Das. Die Betrachtung der Jahreszeiten. Das Entwerfen des Kalenders.

Hätten wir keine wiederholenden Phänomene festgestellt, wie den Mittag, der langsam weniger in der Mitte fällt, als er sich dem wiederkehrenden Winter nährt, wird es gar keine Kalender geben. Im Menschenkopf wird aus der Kombination von der jeweiligen Entdeckung und Erfindung ein Netz gesponnen, wodurch etwas namens Zeit fliegt. Ja, die Zeit.
 
Und doch ist die Zeit nicht anders als die Messung menschlicher Observationen. Dabei ist eine Reise in die Zukunft allgegenwärtig und unvermeidbar, aber auch nur zum bestimmten Tempo möglich. Das gerade diese Geschwindigkeit von der Umdrehung der Erde bestimmt ist, früher mal als die Bewegung der Sonne missverstanden, sind unser Tage gezählt. Und zwar in einer Richtung.
 
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