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Sunday 24 April 2022

Der Parkbank Pinkler Kapitel XXXIII:
das Kontinuum (in der dritten (;-/)

„You win brand battle.
  We win brand war.“

—Chief Running Gag


XXXIII.
 
»Da ist sie. Häftlingsnummer 78906-54.« 
 
Elke freut sich drüber, dass ihr ihre Chefin gerade die Akten in die Hand ausgehändigt hat und freut sich drauf, ohne die übliche Unterbrechung weiter zu forschen. Das heißt, zum ersten Mal in ihrer Erinnerung an die Geschichte vom Pinkler, endlich zwei aufeinanderfolgenden Teilen der selben Handlungsstrang, ohne eingeworfene Nebenhandlung, nachgehen zu dürfen.

Natürlich wird ihr Gedanken ohnehin abgelenkt, zum Beispiel, von genau dieser Gedankenstimme, beziehungsweise die, die soeben einwirft, dass, wenn zwei anscheinend unabhängige Ereignisse, die sich auf denselben Untersuchungsgegenstand beziehen, gleichzeitig auftreten, ist es etwas anderes als die typische Ablenkung. Das heißt, es ist alles anderes als ihr üblicher Zufall.

Von diesem Blahblah abgesehen und unabhängig davon, ob eine Fügung soeben versucht, aus dem Sinnäther erkannt zu werden, was Elke eher zweifelt, (da man keine bedeutungsvollen Zufälle aus dem Strom des Bewusstseins fabrizieren sollte, indem man diese mit bedeutungsvollen Ereignissen gleichsetzt), gibt es die persönliche Angelegenheiten, die sie nicht loslässt, oder aber, (oder aber wahrscheinlicher (wie sie schon weißt)), was sie nicht loslassen will, samt der anschließenden, eher professionellen Kritik, dass sie Privatsachen von der Arbeit getrennt halten sollte.
 
Sollte...
 
(...und sollte es noch einen eingeklammerten Einwurf zu wenig geben, kommt gleich die professionelle Kritik, dass ein professioneller Kritiker, der mehr als sein Gewicht in Gedanken wert sein ist, sollte sich solche Einwürfe für sich behalten, oder aber sich zumindest die Gedankengerede sparen. (Sachkundiger sind sachkundiger.))
 
Es ist auch nicht erst das zigte Mal, dass sich KM Lamprecht in ihren Gedanken verliert, gerade darüber nachdenkend, wie sie der geeignetste Weg befolgen könnte, einem Gedankengang zu folgen, ohne sich darin zu verlieren. Als promovierte Kriminalistin fühlt sie sich irgendwie speziell qualifiziert, etwas an diesem Studiengang zu vermissen, nämlich die Lehre von der Erfassung und Abgrenzung von Instinkt als Trieb und Instinkt als Gespür, geschweige denn die Aussicht, diese zu erlernen.
 
Andernfalls kann sie einfach weitermachen. Gegenwärtig besteht die Anwendung dieser Methode in der Praxis darin, dass sie den vor ihr liegende Ordner aufschlägt. Da sie nun merkt, das schon gemacht zu haben, fängt die vorherige Gedankengang wieder von vorne an, mit folgendem Kurzschluss:
 
Es war einmal ein aufgewecktes kleines Mädchen, das auf der Bettkante saß und einen Strumpf, den sie wie eine Ziehharmonika zerknüllt hatte, zwischen ihren beiden Daumen hielt. Sie hatte diese Methode von ihrem Vater gelernt und fand, dass sie tatsächlich am leichtesten über den Fuß gleiten konnte, dessen letzten Schritt sie an diesem Morgen noch nicht vollzogen hatte. Wie lange sie mit dem Strumpf in der Hand dagesessen hatte, wusste sie nicht, aber es war lange genug, um aus ihren täglichen Tagträumen herausgerissen zu werden, ausgelöst durch das Hupen des Busfahrers eines Busses, den sie verpassen würde.
 
Wahrscheinlich hatte sie die Socke zunächst ausgestreckt vor sich gehalten, und als ihr Kopf in Gedanken versank, wörtlich und bildlich, waren auch ihre Hände in den Schoß gesunken, wo sie sich in dem Moment befanden, als das aufgeweckte Mädchen geweckt wurde. »Schon wieder.«

»Schon wieder.« seufzte das immer noch aufgewecktes und nun schon aufgewachsenes Mädchen. Anstelle jenes Strumpfes erscheint nun ein Polizeifoto, oben recht wie auf einem Lebenslauf. In diesem Fall enthält der Lebenslauf neben den Personalien eine Liste von Delikten. Elke hat noch nicht damit begonnen, sich in die einen oder andere zu stürzen. Das ist ihr Vorhaben, bevor sie selbst Kopien der gesamten Akte anfertigt. Das Bild blickt sie an.
 
Der Dienstälteste hat recht, was das Schenken von zu vielen Vertrauen in routinemäßig neu erstellte Abschriften angeht. Zu seiner Zeit war es kaum mehr als ein Durchschlag. Ein Duplikat einer Fälschung ist genauso fake, wenn nicht gleich mehr. Es ist aber leichter, die Schummelei in ihrer ursprünglichen Form zu erkennen. Elke will nun die Details im Original weidlich durchgehen. Sie muss nur so lange wie nötig ihre Gedanken ordnen. Der Rest ist reine Soße.
 
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