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Sunday 7 June 2015

Der Parkbank Pinkler
Kapitel IX: nicht in der Lage

IX.

Als sie ihm ihre melancholische Grundstimmung meldete, änderte sich die Besuchsgrundstimmung. Also gerade in dem Moment, als sie behauptete, seit vor-letztens eine melancholische Grundstimmung gepflegt zu haben. Na ja, das Vor-silbe ist eher eine Projektion, vielleicht von mir, vielleicht von dem Typ, der ihr gerade nach mehreren Minuten mitten im angenehmen Dialog die „Wie gehts DIR, eigentlich?“ Frage stellen musste, vielleicht aber nicht nur, meine ich: Was die Chancen sind, eine Grundstimmung von Melancholie erst in letzter Zeit angefangen hat?


Obwohl, ja, die Grundstimmung des Hin & Her wurde an diesem Punkt geplatzt. Es war, als tauchte ein Elefant auf einmal am Nachbartisch auf, wovon sich keiner von den beiden zu reden zutraute, dann stellte sich das Rüsseltier im allernächsten Moment als Luftballon heraus und gleich so schnell Peng!, hat man kein Bock mehr überhaupt zu reden.

Zumindest bis der Typ die Gelegenheit ergriff, über sich selbst zu reden. Und wie.

Es ging intensiv los mit Details der letzten Vorstellungsgespräche: was es zu bedeuten hat, kriegte er diesen oder jenen Job oder kriegte er diesen oder jenen Job nicht; hat der Befrager sein vorgetäuschte Selbstbewusstsein für Selbstbewusstsein gehalten oder vorgetäuschtes Selbstbewusstsein – wahrscheinlich letzteres, weiß man ja doch nie; ob er bereit sein soll, umzuziehen, obwohl er sowieso bald wegen irgendwelchen Ärger aus der Pension müsse; ob er in einer anderen Stadt wohnen könnte. >>Leben?<< meinte sie. >>Überleben<<, erwiderte er. Dann Stille.

Wie war das mit der Grundstimmung? Die Stimmung kommt auf jedem Grund an. Eine Stimmung wächst aus jedem Grund. Manchmal ist man davon besessen, manchmal sieht man den Grund ganz und gar nicht, unabhängig davon, ob man gute oder schlechte Stimmung erlebt. Alles kommt trotzdem unentwegt aus dem Grund.

Und die Grundlage der Personen, besamt einzig von Männerorgasmen, ganz zu schweigen aus einem einzelnen schlappen Samenerguss, gegenüber dem Individuum, das aus zwei simultan hervorgeht, weiblich sowie männlich, zumal kräftig und Wonne gewinnend.

Und wie die zwei da gegenüber am Tisch sitzen, sogar schräg gegenüber, gebaut aus Lebensgrundlagen und darauf, folgerichtigen Grundlagen, nun unzählig dazwischen. Zwischen ihnen.

Es fängt so einfach wie kompliziert an, in der Lage und nicht in der Lage zu sein und zu werden.

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Babs - Foto von Fred Burkhart